Von Sucre aus fahren wir wieder hinauf auf das Altiplano. Wir waren im März bereits (während der Lagunen-Tour) auf dieser Hochebene, die sich auf durchschnittlich 3.600m zwischen Chile, Peru und Bolivien erstreckt.
Bevor wir die auf 4.000 Meter gelegenen Stadt Potosí erklimmen, machen wir noch einen Akklimatisierungsstopp an einem kleinen Bach. Bei strahlendem Sonnenschein erreichen wir am nächsten Morgen die Stadt, die sich vor dem Cerro Rico (dem Reichen Berg) in die Hügel zwängt. Das Silber im Cerro Rico machte Potosí im 17. Jahrhundert zu einer der größten Städte der Welt. Die „großen Tage“ der Stadt gehören der Vergangenheit an, aber noch heute suchen hier etliche Minenarbeiter in mühseliger, harter Arbeit im Berg nach Silber.
Vorgewarnt, dass die Straßen in Potosí extrem steil und eng sind, parken wir den Fox etwas außerhalb und laufen zum Stadtzentrum. Die Luft enthält hier oben mehr Abgase als Sauerstoff und wir schleichen, bald eine Maske tragend, durch die Gassen zum Casa de la Moneda – ein Museum in dem wir mehr über die Stadt und die Bedeutung des Silbers lernen wollten. Die Dame am Ticketschalter verrät uns noch, wo wir ein gutes Mittagessen bekommen, bevor sie die Tore schießt. Wir müssen ein paar Stunden warten, bis wir am Nachmittag eine geführte Tour machen können und haben so ausreichend Zeit, eine heiße Suppe zu essen und die Stadt zu erkunden. Wir sind überrascht, welch nette Ecken es hier gibt. Die Führung durch das Casa de la Moneda ist leider enttäuschend, da wir – als kleine Englisch sprechende Gruppe – etwas wahllos durch die Anlage geführt werden und nur spärliche Informationen erhalten. Im Nachhinein, hätten wir in der Spanischen Gruppe wohl mehr erfahren …
Gegen 16:30 Uhr kriechen wir durch dichten Verkehr hinaus aus Potosí … und merken die Höhe. Auf der Suche nach einem passablen Übernachtungsplatz auf Vortagsnievau fahren wir bis weit nach Sonnenuntergang über das Altiplano. Unserer iOverlander App folgend, holpern wir in der Dunkelheit eine kleine Straße entlang zu einem Stellplatz an einem Fluss.
Am nächsten Morgen wachen wir in einem wunderschönen Tal auf. Der Fluss gurgelt, im Baum neben uns tanzen zwei blau-grüne Kolibris in der Luft und Lamas stehen um uns herum. Unser (gehäkeltes) Lama, das wir in Argentinien gekauft haben, um uns zurück zu seinen Artgenossen zu führen, hat seine Aufgabe gemeistert 🙂
Ein paar Menschen aus den nahegelegenen Dörfern kommen vorbei und beäugen uns neugierig aber zurückhaltend. Sobald wir sie ansprechen und erklären, warum wir hier stehen, „tauen sie auf“ und sind sehr freundlich. Wir können sogar ein paar frische Äpfel gegen leere Plastikflaschen tauschen, die sie zum Schutz der jungen Apfelbäume verwenden. Es gefällt uns so gut an diesem Ort, dass wir gleich noch eine zweite Nacht hier bleiben – in unserem “Valle Hermoso” 🙂 Daniel tauscht noch schnell die Dieselpumpe unserer Truma-Standheizung (um sie für höhere Höhen tauglich zu machen, dann müssen wir aber aufbrechen. Per WhatsApp hatte ich uns (auf Empfehlung von anderen Reisenden aus Berlin) eine private Tour auf den Salar de Uyuni für den 9. Mai gebucht.
Auf dem Weg nach Uyuni machen wir noch einen Stopp in einer weiteren Minen-Stadt: Pulacayo auf 4.100m. Pulacayo war im 19. Jahrhundert die zweitgrößte Silbermine des Landes und Ziel der wohl ersten Bahnstrecke, die von Antofagasta am Pazifik nach Bolivien führte. Heute stehen noch einige historische Lokomotiven und Wagons im Ort und angeblich auch einer der Züge, den “Butch Cassidy und Sundance Kid” ausgeraubt haben sollen. Oberhalb des Mineneingangs thront ein altes Herrenhaus, das sich der damalige Präsident Aniceto Arce (1888-1892) hat bauen lassen. Wir kommen schon wieder zur Mittagspause dort an, aber erhalten noch eine “visita rapida” – eine ganz schnellen Führung – durch das gut erhaltene Haus. Wir müssen lachen, als wir eine Flasche Jägermeister als Dekoration entdecken. Den gibt es wirklich in jedem entlegensten Winkel dieser Erde 🙂 Am Ende der Führung durch das Haus zeigt uns unser Guide noch den Geheimgang zum Silberstollen. Im kleinen Raum ist dargestellt, wie Bergarbeiter Alkohol und Kokablätter konsumieren. Ich muss zweimal nachfragen, bis ich verstehe, dass sie dies nicht NACH (despues) der Arbeit tun, sondern VORher (antes). Denn die Arbeit in der Mine ist hart, laut und staubig. In den engen Stollen wird noch viel per Hand gearbeitet und mit Dynamit gesprengt und das oft auf eigene Faust – so lange, bis ein kleiner Fund Silber die Mühe lohnenswert macht.
Keine 15 Minuten später sehen wir, dass Alkohol und Koka auch WÄHREND der Arbeit konsumiert werden. Direkt vor dem Eingang zum Bergwerk, das auch heute noch in kleinem Umfang betrieben wird, treffen wir zwei Minenarbeiter. Beide können kaum noch geradeaus schauen, und fragen ob wir Alkohol für sie dabei haben. Und unter Alkohol versteht man hier (wie wir später lernen) wirklich hochprozentigen Alkohol, den man sonst zum Reinigen benutzt. In Potosí konnte man diesen in 5Liter Kanistern (wie Wasser) kaufen. Auch dort wird er von den Minenarbeitern mit Cola, Saft oder Wasser verdünnt getrunken. Dazu werden Koka-Blätter gekaut und in den Backentaschen “verstaut”, bis die Wirkung nachlässt. Die 5. Sicherheitsregeln, die am Mineneingang aufgehängt sind, wirken wie eine Farce.
Mit etwas zwiespältigem Gefühl verlassen wir Pulacayo und fahren hinab nach Uyuni, der kleinen Stadt am Rande des gleichnamigen Salars auf 3.600m über dem Meer. Die beiden Männer aus Pulacayo gehen mir lange nicht aus dem Kopf. Was für ein Leben … ein kurzes. 40 bis 45 Jahre alt werden die Minenarbeiter hier.